Via Alta Vallemaggia – Alpe Spluga Hütte zum Rifugio Tomeo*

Auf dem Weg vom Pascolo dei Laghi loht sich ein Blick zurück zum kleinen See

Heute steht die vierte und für mich die vorerst letzte Etappe der Via Alta Vallemaggia an. Aber klar ist schon jetzt, dass ich im kommenden Sommer die Reise fortsetzen möchte. Nachdem ich gestern vom Rifugio Alpe Masnee (2’063 m) aufgebrochen bin erwartet mich heute eine abwechslungsreiche Route zur Capanna Tomeo (1’739 m).

Oben auf der Scharte angekommen liegt die Bocchetta del Sasso Bello noch halb im Schatten

Der Aufbruch vom Rifugio Alpe Spluga (1’838  m) um 7 Uhr ist früh. Es steht eine anspruchsvolle Etappe an, das hat mir ein entgegenkommender Wanderer am vorherigen Abend noch bestätigt. Entgegen der Routenbeschreibung des Ascona-Locarno-Tourismus weist die Beschilderung vor Ort eine Gehzeit von 7 statt 6 Stunden aus und die ausgewiesenen Angaben sind tatsächlich realistischer. Der rot-weisse Weg war zu Beginn sehr schön, nur der extreme Wind und die Kälte hat die Freude getrübt. Entlang eines kleinen Bächleins kommt man zum See Pascolo dei Laghi. Hier trennt sich der Weg in mehrere Richtungen auf – ich möchte natürlich dem blau-weissen Alpinweg zum Rifugio Tomeo folgen. Im unmittelbaren Westen erheben sich die Punta di Spluga (2’251 m) und die Bocchett del Sasso Bello (2’290 m), im Osten der Sass d’Argent (2’317 m) sowie der Pizzo delle Pecore (2’381 m).

Blocksteine über Blocksteine hinter der Scharte ins Valle Lavizzara

Kurz hinter dem See war es dann aber vorbei mit Gemütlichkeit – es ging über Blockstein hinauf zur Bocchetta del Sasso Bello. Und das war nur der Vorgeschmack darauf, was mich den restlichen Tag erwarten würde. Schutthalden, Geröll, Blocksteine – bis zum bitteren Ende. Hinter der Scharte wartet das Valle Lavizzara, welches meinem bescheidenem botanischen Verständnis nach zumindest von oben den anderen Tälern recht ähnelt. Der erste Abstieg war steil und in losem Geröll. Ich habe ewig hinunter gebraucht und war dann heilfroh es geschafft zu haben sowie keine Gruppe hinter mit gehabt zu haben. Ich hätte tierische Angst gehabt dass sie etwas losgetreten und mich dann mitgerissen hätten. Es wartete in unmittelbarem Anschluss ein gefühlt unendlich langes Geröllfeld welches ich im Schneckentempo bewältigt habe. Der nächste Aufstieg im Steilgelände (dafür aber in meiner Geländekomfortzone) führt hoch auf einen Grat. Mit einigen Ketten entschärft konnte ich problemlos den Ausläufers der Cima di Broglio (2’385 m) überschreiten. Die Querung ist unglaublich schön und hätte man sich dort besser hinsetzen können hätte ich mir wahrscheinlich überlegt länger dort zu bleiben.

Die Überschreitung des Ausläufers der Cima di Broglio

So ging es stattdessen zügig wieder hinab. Und schwupps, wartete das nächste Blocksteinfeld, welches sich ewig zog bis es wieder hinauf ging. An einer Kreuzung etwa 3h 45min vom Rifugio Tomeo entfernt, gibt es die Möglichkeit nach Brione (Verzasca) oder Brontallo über einen rot-weissen Bergweg abzusteigen. Folgt man dem Wegweiser Richtung Brione / Rifugio Sambuco zweigt irgendwann ein kurzer Weg nach Norden auf den Monte Zucchero (2’736 m) ab. Ich hätte diesen Gipfel wahnsinnig gern bestiegen, aber in Anbetracht der Zeit habe ich diese Idee auf unbestimmt verschoben.

Der Blick vom Ausläufer der Cima di Broglio zurück über die Geröllfelder

Der nächste Aufstieg erfolgt über einige Patten, wobei dieses Stück wirklich sehr kurz war und ebenfalls mit festen Ketten abgesichert ist. Der geübte Kletterer probiert das natürlich auch ohne Fixseile und es ging erstaunlich gut. Mittlerweile habe ich das Valle dei Pini erreicht und es geht über Stock und Stein, hoch und runter, über Tritthilfen, nassen Fels und Gras weiter bis – wer hätte es gedacht – das nächste Blockfeld aufwartete. Auch dieses zog sich ein gutes Stück bis es wieder nett über Wiese und nur ein bisschen Stein über den letzten Pass, den Passo di Chènt, ging. Es war traumhaft schön!

Angekommen auf dem Pass Passo di Chènt. Nun geht es nur noch bergab

Eine kurze Pause habe ich mir gegönnt, aber ich hatte Angst vor dem angekündigten komplizierten Abstieg ins Val Tomé. Erst einmal ging es für mich aber auf einem schönen Bergweg gemütlich bergab bis das übliche Blocksteinfeld grüsste. Ich war mittlerweile ziemlich am Ende. Der Weg schlängelte sich weiter stetig bergab durch eine abwechslungsreiche Landschaft und einen dementsprechend wandelnden Untergrund. Und dann irgendwann tauchte auch endlich der tropfenförmige See, der Lago di Tomé, auf und damit auch das Ziel, die Tomeo-Hütte. Aber zu früh gefreut, erst ging es nochmal über Blöcke, wer hätte es gedacht, runter. Irgendwie schien jemand Erbarmen mit en Wanderern aus dem Süden gehabt zu haben und angefangen richtige Treppenstufen zu präparieren. Ein Segen. Denn so malerisch der Bergsee-Ausblick auch ist, so höllisch taten mittlerweile meine Füße und Knie weh.

Ein Teil des Abstiegs zur Tomeo-Hütte ist bereits bewältigt

Endlich unten am See angekommen war es zu meinem Entsetzen doch noch ein ganzes Stück zu laufen und es ging auch noch wieder bergauf. Als ich endlich, endlich um 16.40 Uhr an der Hütte angekommen war gab es erstmal Kuchen zur Belohnung. Als Aperó werden sogar zusätzlich Nüsse und Salzstangen serviert, das hat mich enorm gefreut und war genau das richtige nach diesen Anstrengungen. Für CHF 60 erwartet den Gast neben der Übernachtung eine vorzügliche Halbpension – die Dusche war natürlich auch ein Traum. Abends wurde gegrillt, ich war begeistert von diesem Luxus. Gut dass ich nochmal wiederkommen „muss“ um die Reise fortzusetzen.

Der See Lago di Tomé an dessen hinterem Rand die Tomeo-Hütte liegt

Nach einer kurzen Nacht (ich bin leider von den Anglern geweckt worden, die schon um 5 Uhr am See sein wollten), habe ich mich an den 4.7 km langen Abstieg nach Broglio, Haltestelle Paese, gemacht. Es gilt circa 1’000 Höhenmeter hinab zu absolvieren; der Weg ist prinzipiell gut rot-weiss markiert und einfach zu gehen. Auch hier hat man sich viel Mühe gemacht richtige Treppenstufen in den Fels zu schlagen und das Terrain damit stark vereinfacht. Ich musste einmal trotzdem den Weg suchen. Dies war an einer grasbewachsenen Ebene wo der links hinabgehende Weg nicht sofort ersichtlich ist. Ich habe mich enorm beeilt um den Bus, welcher nicht gerade häufig fährt, in Broglio rechtzeitig zu erwischen – und war dann aber tatsächlich bereits nach weniger als 2 Stunden im Tal angekommen. Ein netter Mann nahm mich dann nach Brignasco, Haltestelle Posta mit, von wo immerhin alle 30 Minuten ein Bus zurück nach Locarno fährt. Bei einer Dauer von knapp einer Stunde hat man ausreichend Zeit die Landschaft via Strasse zu bewundern oder ein Nickerchen zu machen. Zugegebenermassen fand ich es in den Bergen schöner als im Tal.

Streckentour
Strecke8.6 km
Dauerca. 6 h
Aufstieg1’020 m
Abstieg1’120 m
Niedrigster Punkt1’694 m
Höchster Punkt2’226 m
GPXEtappe Link
Abstieg Download
Eckdaten der Tour
Die Tomeo-Hütte