Säntis via Rotsteinpass und Tierwies

Oberhalb des Berggasthauses Alter Säntis

Der Säntis ist der höchste Gipfel der Kantone Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Ausserrhoden und markiert gleichzeitig die Grenze zum Kanton St. Gallen. Er gilt als „Must-Have“, irgendwann muss man oben gewesen sein wenn man in der Schweiz wohnt. Also habe ich mich entschlossen an einem schönen Tag im August diesem Touristenmagneten ebenfalls einen Besuch abzustatten.

Die Aufpasser am Wegesrand

Gestartet bin ich vom Parkplatz Laui, 9657 Alt St. Johann in St. Gallen. Dort gibt es neben einem Grillplatz auch einen kleinen Kiosk und eine Toilette  – ein Ausflugsziel unabhängig vom Säntis. Der Parkplatz ist gross und kostet CHF 5 pro Tag. Ich hatte vor einiger Zeit gehört, dass diese Aufstiegsroute auch im Winter möglich ist und wollte es mir mal anschauen. Im Gegensatz zur Normalroute welche über die sogenannte Himmelsleiter führt, hatte ich auch die Hoffnung, unterwegs auf weniger Menschen zu stossen. Insgesamt war ich mit dieser Variante inklusive Pausen 9.5 h unterwegs. Etwas Zeit mitbringen ist also eine gute Idee.

Man folgt der Strasse Richtung Nordosten und erreicht nach circa 10 Minuten Alpli auf 1’085 m. Der Wegweiser verspricht eine Aufstiegszeit zum Säntis von 5 Stunden über Tierwies, aber ich wollte ja zum Rotsteinpass (2’122 m) welcher mit 3h 40min angegeben ist. Vorbei an Thurwies (1’205 m) und Gersellen (1’266 m), das Ziel stets im Blick, geht es immer weiter auf einem sehr einfachen rot-weiss markerten Bergweg hinauf bis nach Schofbode-Brünne (1’868 m). Hier trennt sich der Weg, die Differenz zwischen Tierwies und Rotsteinpass wird mit 10 Minuten Gehzeit angegeben. Bis hierher habe ich 2 h gebraucht und die Aussicht das Berggasthaus Rotsteinpass in 45 Minuten zu erreichen liess mich meine notwendige Pause doch nochmal nach hinten verschieben. Insbesondere da der Weg so leicht ist und es keine anspruchsvollen Schlüsselstellen bis zum Gasthaus gibt konnte ich das gut verantworten.

Vom Berggasthaus Rotsteinpass führt der Lisengrat zum Säntis

Nur als ich 30 Minuten später dort ankam, traf mich fast der Schlag. Das Gasthaus platzte aus allen Nähten, jedes Plätzchen in der Sonne war belegt und alles wuselte wie in einem Ameisenhaufen. Dabei war es erst 10.40 Uhr und mir schwante das erste Mal was mich auf dem Säntis erwarten würde. Die ganzen Menschen mussten schliesslich irgendwo hergekommenen und mein Weg war tatsächlich bisher recht einsam gewesen. Also wurde die Pause auf das absolute Minimum beschränkt um schnell weiterzukommen; denn entspannt fand ich es hier nicht. Trotzdem lohnt sich ein Blick umher – die Aussicht ins Appenzellerland und Toggenburg ist wunderschön.

Der Lisengrat erfodert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit

1h 35min zum Gipfel klang zudem fair und so marschierte ich frohgemut los. Erwartet hatte ich weiterhin einen gemütlichen Wanderweg, aber schnell musste ich diese Vorstellung revidieren. Der Weg wurde ein schöner Steig, nahezu vollständig mit Ketten versiert, viel auf und ab, toller Aussicht. Schwindelfreiheit ist ein Muss, denn der Lisengrat ist schmal und beinhaltet auch Kraxelei, sodass häufig ein Überholen oder Ausweichen nicht möglich ist. Ein Nadelöhr also bei viel Betrieb. Ich hatte Glück und es war noch nicht allzu viel los, sodass ich gut durchgekommen bin. Leider habe ich durch den selbstgemachte Druck, dass mir jederzeit eine grosse Gruppe entgegenkommen könnte, das Panorama viel zu wenig genossen. Stattdessen habe ich mich durch den Steig gehetzt – das nächste Mal würde ich es mit einer gelasseneren Einstellung versuchen. Die letzten 400 Höhenmeter zum Gipfel des Säntis waren also eher stressig, was aber an mir lag und nicht an der Route selbst. Der Steig kostet Zeit denn so wirklich viel Höhenmeter Richtung Gipfel macht man nicht – eher Strecke. Umso mehr habe ich mich gefreut, als hinter dem Steig, vor dem Chalbersäntis (2’370 m) ein wunderschönes Plateau wartete. Hier sassen schon wenige andere Säntis-Aspiranten und haben die Landschaft auf sich wirken lassen. Es lohnt sich hier eine Rast einzulegen. Obwohl am Weg gelegen ist viel weniger los als am Gipfel, die Menschen verteilen sich und alles wirkt etwas entrückter.

Der Blick zurück. Links der Lisengrat, rechts der Säntisgipfel, mittig eine Auf-/Abstiegsvariante Richtung Laui

Von hier aus geht es dann hinauf zum Berggasthaus Alter Säntis, wo man als Alternative zum Säntis-Hotel ebenfalls übernachten kann. Ich habe etwas gebraucht um mich danach zurechtzufinden – auf 2’460 m steht ein Wegweiser mit Standort Säntis, der noch 10 min Gehzeit bis zur Seilbahn Säntis-Schwebebahn anzeigt. Die Seilbahn verläuft parallel zur Normalroute und kostet ohne Rabatte CHF 38 pro Person für eine Einzelfahrt. Sie lässt sich somit gut nach dem eigenständigen Aufstieg via Himmelsleiter für den Rückweg nutzen. Meine Route verlief dann am Gebäude links vorbei durch einen offenen Tunnel und über etliche kleine Treppen bis ich nach einigem kreuz und quer sowie einer unbeabsichtigten Stipvisite am Terrassen-Restaurant, schliesslich den höchsten Punkt ausgemacht hatte.  Nach weniger als 4 Stunden war ich also oben! Und war doch so enttäuscht. Vom Säntis aus kann man bei gutem Wetter in sechs Länder sehen: Frankreich, Deutschland, Österreich, Lichtenstein, Italien und natürlich die Schweiz selbst. Hier begegnete mir das erste Mal ein Gipfel namens Kuchenspitz (3’148 m) in den Österreichischen Alpen, aber auch bekanntere Namen wie Piz Bernina (4’049 m), Piz Sardona (3’056m), Bifertenstock (3’421 m), Selun (2’205 m), Tödi (3’614 m), Clariden (3’268 m), Leistkamm (2’101 m), Finsteraarhorn (4’274 m), Schreckhorn (4’078 m), Titlis (3’238 m) und Wetterhorn (3`701 m).

Links ist das Berggasthaus Alter Säntis zu erkennen. Ein schönerer Pausenort als der Gipfel selbst

Nach 1.5 h Stunden oben, die ich eher halb dösend auf einer der Bänke verbracht habe als wirklich geniessend, war klar, dass ich einen anderen Weg hinab als hinauf nehmen wollte. Ein Blick auf die Karte verriet, dass der Weg über Tierwies eine gute Option sei und so bestand nun die Herausforderung darin herauszufinden wo ich dafür denn nun absteigen müsste. Etwas ziellos irrte ich dafür am und um den Gipfel herum, habe dabei die Säntis-Ausstellung inspiziert und irgendwann endlich den „Ausgang“ gefunden. Durch das grosse Treppenhaus herunter, an einer Tür, die aussieht wie ein Notausgang, ist ein Wanderschild angebracht. Dort hindurch, über eine Wendeltreppe hinunter, durch einen Tunnel, der Beschilderung nach links Tierwies folgen und dann stand ich dort, wo ich eigentlich gehofft hatte, drum herum zu kommen: an der Himmelsleiter.

Gipfel, Seilbahn und Himmelsleiter direkt im Fokus

Die Himmelsleiter ist schmal und recht steil, durchgehend mit Ketten abgesichert und gut zu passieren. Zum Teil sind Stufen präpariert, meist sind jedoch natürliche Tritte zu benutzen. Durch die Enge und Ausgesetztheit hat es alpinen Charakter, ist jedoch sonst unschwierig. Aber eben ein Nadelöhr. Stau ist vorprogrammiert allein schon durch die unvorstellbare Menschenmasse, die sich dort entlang wälzt. Und so ging es nur im Schneckentempo voran. Für diese wenigen Meter habe ich 10 Minuten im Abstieg benötigt und hatte dabei wahnsinnig Glück, dass meine Truppe zu den trittsicheren Personen gehörte. So sind wir zügig abgestiegen und sind überall, wo es auch nur ansatzweise möglich war, der Menschenmasse auf der Leiter ausgewichen. Ich denke, 30 Minuten Zeit sollte man mindestens für diese Stelle einplanen – insbesondere im Aufstieg. Unten angekommen wollte ich noch auf den Girenspitz (2’448 m), nördlich vom Säntis gelegen. Dieser eher unscheinbare Gipfel hat für alles entschädigt: Eine zumindest nach Norden hin unverbaute Panoramasicht, Unterhaltungsprogramm im voreingestellten Sender „Himmelsleiter“, Ruhe und Einsamkeit. Wir waren zu dritt auf diesem vergessenen Berg und haben hier das gefunden, was wir auf dem Säntis so vermisst haben. Hätte ich das vorher gewusst.

Aussicht Richtung Südost-Süd vom Girenspitz

20 Minuten später habe ich mich dann schweren Herzens an den Abstieg gemacht, eingeplant hatte ich hierfür ursprünglich mal 2.5 h, 3h 15min sind realistischer. Nach Tierwies (2’085 m) ist es etwas mehr als eine Stunde vom Kreuzungspunkt unterhalb der Himmelsleiter. Dieser Wegabschnitt war wieder deutlich weniger begangen, im Vergleich zum Aufstieg bis zum Lisengrat verhältnismässig anspruchsvoll und sehr schön in die Karstlandschaft eingebettet. Ab dem Berggasthaus Tierwis führt der rot-weisse Wanderweg knapp 2 Stunden wieder nach Süden, bis Thurwies, von wo der Weg wieder bekannt ist. Spätestens hier wird es ruhig um einen herum. Vom Gefühl her zieht sich der Abstieg, immerhin sind es noch 1’000 Höhenmeter zum Parkplatz Laui. Nichtsdestotrotz ein genussvoller Abstieg, ich hätte gerne ein Zelt zum Übernachten aufgeschlagen. Zurück in Laui überraschte mich eine Hochzeitsgesellschaft; ich konnte problemlos nachvollziehen warum sie sich diesen Ort für ihre Feier ausgesucht hatten.

Rundtour
Strecke17.2 km
Dauer7.5 h
Aufstieg1’553 m
Abstieg1’553 m
Niedrigster Punkt1’072 m
Höchster Punkt2’502 m
GPXDownload
Eckdaten der Tour
Der Abstieg von Tierwies nach Laui

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